Unbequeme Denkmale

Unter anderem mit dem Tag des offenen Denkmals 2013 sind “unbequeme Denkmale” in wissenschaftliches und öffentliches Interesse gerückt. Damit sind hauptsächlich Geschichtsorte gemeint, die uns von vergangenen diktatorischen Regimen erzählen.

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So z.B. auch der Bückeberg bei Hameln. Heute ein unscheinbarer Hügel, der nur bei genauer Betrachtung noch Anzeichen von seiner Zeit als Veranstaltungsort der Reichserntedankfeste zwischen 1933 und 1937 offenbart. Schier unglaublich erscheint mir, welcher Aufwand damals betrieben wurde, um tausende Menschen zusammen zu bringen und damit eine Kulisse für Hitlers selbstherrliche Auftritte zu bilden. Es wurde damals sogar richtiges Merchandising betrieben und Schau-Kriegshandlungen vorgeführt. Teilweise bewusst negiert, teilweise unbewusst vergessen, ist dieser Ort heute aus dem Bewusstsein der deutschen Bevölkerung verschwunden. Nun soll dieser Platz – er steht unter Denkmalschutz – didaktisch aufbereitet werden, um ein lokales Mahnmal dieser deutschen Vergangenheit zu werden.
Und genau das macht es unbequem. Denn niemand kann garantieren, dass dieses und andere Denkmale nicht dann auch wieder in das Bewusstsein von Rechtsgesinnten rücken und sie sie für ihre Zwecke “misbrauchen”. Doch auch viele Bunker und öffentliche Plätze sind unbequeme Denkmale, da sich durch ihre negative geschichtliche Belastung nur sehr mühsam adäquate neue Nutzungskonzepte entwickeln lassen.
Diesem Thema widmet sich auch vom 26. bis 29.3.2014 in Hannover die Tagung “Unter der Grasnarbe“. Denn oft ist uns gar nicht mehr bewusst, wie sehr die Nazis unsere Städte und das Land geprägt haben. So erhofft man sich vom fachlichen Austausch, Anregungen zum zukünftigen Umgang mit solch unbequemen Denkmalen. Und hoffentlich gibt es dann – neben Huses bereits 1997 erschienen Buches “Unbequeme Baudenkmale” – bald weitere Publikationen zu diesem spannenden und immer noch brisanten Thema.

Gartendenkmale

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In der Ausgabe 4/2013 der Berichte zur Denkmalpflege in Niedersachsen geht es hauptsächlich um Gartendenkmäler und ihre Erhaltung.
Als Gartendenkmale gelten nicht nur Gärten, sondern auch Friedhöfe und Alleen. Prinzipiell sind das also Pflanzen, die durch Menschenhand arrangiert, gepflegt und teilweise auch natürlich überformt wurden. Dazu gehören aber auch Umfassungsmauern, Grabsteinen und Wege. Die nähere Umgebung, wie umliegende Felder, Wälder, Gebäude und deren Sichtbezüge sind erst in jüngster Zeit in das Bewusstsein aller Beteiligten gerückt. Denn bei Gartendenkmälern müssen sich Denkmalschützer auch mit Naturschützern verständigen. Gerade bei Alleen, die öffentliche Straßen säumen, kommen Aspekte der Verkehrssicherheit hinzu. Und manchmal müssen auch verschiedene Eigentümer an einen Tisch gebracht werden.
Und wie erhält man nun solche lebenden Denkmale, die natürlicherweise auch erkranken und sterben können?
Natürlich versucht man, die überkommenen Pflanzen so lang wie möglich zu erhalten. Oft ist dies aber nicht möglich, da die Pflanzen bereits am Ende ihrer Lebensdauer angelangt sind. Den Verlust könnte man ohne Gegenmaßnahmen akzeptieren. Meist werden aber tote Pflanzen durch neue der selben Art ersetzt, doch sind diese dann in Größe und Form anders – von den Genomen ganz zu schweigen.
Dabei stellt sich aber die grundlegende Frage – wie bei allen Denkmalen und Kulturgütern – ob man die ursprüngliche Erscheinung oder den gealterten, überformten oder gar ruinösen Zustand erhält. Allerdings ist oft nicht belegt, wie die ursprüngliche Planung aussah. Gab es bestimmte emotionale Absichten, die hinter Dichte, Anordnung und Höhe von Gehölzen standen?
Im Grunde haben sich auch Möbelrestauratoren mit diesen ethischen Grundsatzfragen auseinanderzusetzen, doch stehen wir nicht so unter Zeitdruck, da die natürliche Lebensdauer “toter” Materialien, wie sie an Möbeln verbaut werden, weit länger ist, als bei Pflanzen.

Hochwasserschaden dank Denkmalschutz

So tituliert heute Heise auf seiner Internetplattform.
In diesem Artikel wird suggeriert, die Sächsische Stadt Grimma wäre aktuell nicht so schlimm überflutet, wenn nach dem letzten großen Hochwasser 2002 zügig mit dem Bau gigantischer Schottenwände – wie im Hochwasserkonzept von 2003 ermittelt – begonnen worden wäre. Denn diese wären dann 2013 fertig gewesen.
Anfang dieses Jahres und somit rechtzeitig?
Oder wohl eher erst gegen Herbst/Ende das Jahres und somit zwar nur knapp zu spät, aber Grimma wäre wohl trotzdem wieder überschwemmt worden.
Ich verstehe, dass Betroffene nun unter Schock stehen und irgendwo die Schuld die suchen. Aber sie überwiegend auf die Denkmalpflege zu projizieren, empfinde ich als sehr ungerecht.
Es mag stimmen, dass die Prüfungen zum Denkmalschutz den Baubeginn verzögerten und sogar verhinderten, aber doch nur, weil die zuständigen Denkmalpfleger genau abwägen mussten – und ja nicht nur diese eine Stadt, sondern noch viele Objekte mehr betreuen.
Denn Denkmalpfleger haben eine hohe gesellschaftliche Verantwortung zu trage. Wenn alte Gebäude verunstaltet werden, rufen viele Stimmen sofort: “Wo war die Denkmalpflege?” Wenn Baumaßnahmen versagt werden, heißt es wiederum “Die Denkmalpflege verhindert Fortschritt.”
Diese “Verhinderungsmacht” – wie sie auch in dem Artikel abwertend genannt wird – ist heute aber politisch und soziokulturell durchaus gerechtfertigt.
In vielen vergangenen Epochen sind durch unreflektierte, voreilige Baumaßnahmen oder gut gemeinte Verbesserungsmaßnahmen bedeutende Kulturdenkmale unwiederbringlich verloren gegangen. Daraus haben wir gelernt, dass unsere heutigen Ansichten schon von der nächsten Generation ganz anders gesehen werden, weshalb wir -also alle Berufe, die mit der Erhaltung von Kulturgut betraut sind – versuchen, langlebige und nachhaltige, nachvollziehbare Entscheidungen zu treffen.
Auch die in Grimma beteiligte Bürgerinitiative gegen die Schottwände hat für mich völlig nachvollziehbar gehandelt. Denn man muss immer bedenken, dass nach wie vor Menschen in dieser Stadt leben können müssen. Und wenn sie dann ständig auf diese Mauern schauen müssen, fördert das nicht gerade das Wohlbefinden, sondern erinnert eher an Bilder der Mauer, die einst Berlins Straßen durchschnitt.
Ja, der menschliche Faktor wird oft komplett vergessen. Alle Beteiligten der Hochwasserdebatte um Grimma sind Menschen, und die machen nun einmal Fehler. Vielleicht waren die Reaktionen nach 2002 ja ein Fehler, aber fragen wir anders herum: wie oft ist Grimma wirklich durch erhebliches Hochwasser bedroht? Wenn 2002 und 2013 unvorhersehbare, unvermeidliche Einzelfälle waren und hoffentlich auch bleiben, rechtfertigen sie meiner Meinung nach nicht solche überdimensionierten Hochwasserschutzkonzepte.
Bei dem als Vergleich herangezogenem Ort Moos in Bayern sieht das ganz anders aus (deshalb ist er auch eigentlich nicht mit der Situation von Grimma vergleichbar). Dieser Ort hat eine lange, regelmäßige Hochwassertradition, weshalb hier eine Absiedlung (Aufgabe der Siedlung) wirtschaftlich, sozial und denkmalpflegerisch vertretbar erscheint.
Denn der Denkmalschutz achtet immer auch auf “wirtschaftliche Unzumutbarkeit”. Das soll vermeiden, dass unsere Dörfer und Städten mit der Zeit zu unbezahlbaren und unnutzbaren Museen werden. Im Gegenteil: die Denkmalpflege ist sehr daran interessiert, für den Unterhalt nötige Veränderungen und Anpassungen an moderne Lebensstandards zu fördern. Doch das ist ein schmaler Grad und ein sehr komplexes Thema.
Deshalb sollte man bezüglich Grimma und anderer erneut vom Hochwasser betroffener Dörfer und Städte genauesten abwägen zwischen Hochwasserschutzmaßnahmen und Duldung gelegentlicher Überflutungen. Wenn man das wirtschaftlich gegen einander stellt und dabei für jede Siedlung individuell entscheidet, kommt man sicher zu den unterschiedlichsten Ergebnissen.

Restauratoren – ein Volk für sich!? [Teil 2]

Die Welt der Restauratoren ist klein. Man kennt sich – zumindest in den gleichen Bildungskreisen.

Ich behaupte, die meisten akademischen Restauratoren haben wenig bis gar nichts mit Restauratoren im Handwerk zu tun.

Warum?

Während des Studiums wurde uns vermittelt, wir sollten uns nicht mit Handwerkern auf eine Stufe stellen. Theoretisch stimme ich dem zu, aber sind akademische Restauratoren besser als Restauratoren im Handwerk? Was unterscheidet diese beiden Berufsgruppen von einander? Handeln handwerkliche Restauratoren nach einer anderen Ethik als die Akademiker? Können sie etwa weniger?

Nach meinen Recherchen und einer netten E-Mail-Korrespondenz mit Dipl.-Ing. Frank Sprenger, dem Geschäftsführer des Verbands der Restauratoren im Handwerk e.V., weiß ich, dass wir alle nach der gleichen Ethik, den gleichen Restaurierungstheorien handeln. Restauratoren im Handwerk lernen genau so Kunsthistorisches, historische Techniken, verschiedene Untersuchungs- und Konservierungsmethoden. Dazu leisten sie oft ihre Ausbildung zum Restaurator über mehrere Jahre neben dem Berufsalltag und finanzieren sie komplett aus der eigenen Tasche. Das erfordert Disziplin und Organisation!

Der Unterschied scheint von den akademischen Kreisen hochgehalten zu werden. So wollen Museen lieber akademische Restauratoren. In der Denkmalpflege arbeiten Restauratoren im Handwerk oft unter der Anleitung eines akademischen Restaurators.

Läuft es darauf hinaus, dass akademische Restauratoren zukünftig Untersuchungen und Konzepterstellungen übernehmen, eher projektleiterische und überwachende Tätigkeiten ausführen? Wird es zukünftig so sein, dass nur noch die Restauratoren im Handwerk an das reale Objekt dürfen und hier Eingriffe vornehmen, während die Akademiker zusehen?

Wenn es in diese Richtung geht, ist es dann nicht umso wichtiger, dass wir jetzt schon stärker zusammenarbeiten, uns kennen lernen. Könnte man nicht Restauratoren im Handwerk auch gezielter an die Hochschulen holen, um z.B. historische Techniken zu unterrichten – sofern dies in den Lehrplänen enthalten bleibt.

Es ist dabei sehr erfreulich, dass im Berufsalltag bereits einige sehr fruchtbare Gemeinschaftsarbeiten von Restauratoren im Handwerk und akademischen Restauratoren stattfinden. Doch sollte dieses gemeinsame Verständnis bereits an den Hochschulen vermittelt werden. Schließlich haben wir doch alle das gleiche Ziel: die Erhaltung des kulturellen Erbes für die Gesellschaft.

Restauratoren

Heute im “Huck Up”, eine hildesheimer Zeitung, lag die Beilage “Der Spezialist” bei. Gleich zu Beginn war ein Artikel über Wohnungseinrichtungen mit Antiquitäten abgedruckt. Als es darin um das Erkennen des Wertes und das Aufarbeiten dieser Antiquitäten ging, wurde empfohlen, sich an Antiquitätenhändler oder Tischler zu wenden. Tischlergesellen oder -meister können sich auch zum “Restaurator im Handwerk” weiterbilden.

Mit keinem Wort aber wurden wir studierten Restauratoren erwähnt.

Warum?

Vermutlich, weil unser Ruf in der breiten Öffentlichkeit denkbar ungünstig ist.

Wir werden doch überhaupt nicht ernst genommen!

Wie oft haben Sie schon gehört, dass jemand auch schonmal was abgeschliffen und neu lackiert hat, als Sie erklärten, was Sie von Beruf sind?

Oder Ihr Gegenüber hatte überhaupt keine Ahnung, was Restaurierung ist – bzw. kein Interesse.

Und warum ist das so?

Sind wir nicht wirtschaftlich genug? Sind wir zu ethisch? Kommunizieren wir zu wenig?

U.a. thematisiert das auch Ralf Buchholz in der aktuellen Restauro.

Ja, wir Restauratoren sind noch in keinster Weise angekommen!

Und wenn wir nicht daran arbeiten, wird sich das auch nicht ändern.

Am Besten sollten wir mit dieser Diskussion bereits im Studium anfangen.

Ich als junge, enthusiastische Absolventin werde von alldem sehr deprimiert.

Seit fünf Jahren erlerne ich diesen Beruf, aus Überzeugung, und investiere viel Geld, Zeit und Mühe. Und dann wird man nicht ernst genommen?

Ich war doch nicht auf einer Clowns-Schule!

Aber eine/r allein kann an der öffentlichen Wertschätzung nichts ändern.

Hier müssen wir Restauratoren endlich einmal an einem Strang ziehen! Und wie könnten wir das besser, als durch unseren Verband?

Wäre ein erster Schritt vielleicht der Schutz der Berufsbezeichnung?

Man denke nur an die jüngst bekannt gewordene “Restaurierung” eines Freskos in Spanien… So etwas ist unglaublich förderlich für das öffentliche Bild der “richtigen” Restauratoren.

Dargestellte Zeitschnitte in Freilichtmuseen

In Freilichtmuseen stehen oft Gebäude, die an ihrem ursprünglichen Standort von der Zerstörung bedroht waren. Hätte man sie dort nicht abgebaut und im Museum wieder errichtet oder dort hin transloziert, wären sie verloren.

Doch in Museen werden die Gebäude häufig auf einen bestimmten Zeitschnitt zurückgeführt.

Das ist aus Sicht des Museumskonzeptes im Sinne der Vermittlung gut und richtig, doch muss man sich bewusst machen, dass die dargestellten Zustände hypothetisch und eher stellvertretend für den “Durchschnitt” gemeint sind.

Oft mögen Besucher glauben, das Gebäude mit seiner Wandgestaltung, den Öfen, Möbeln, Gardienen und Löffeln sei so, wie sie es gerade sehen original. Dabei ist die Ausstattung meist komplett aus Museumsbeständen zusammengestellt.

Eine Variante, dies auch optisch klar zu vermitteln, wurde im LWL-Freilichtmuseum Detmold im Haus Uhlmann des Paderborner Dorfes angewandt. Hier wurden die Möbel der guten Stube zwar gemäß der Beschreibung von Augenzeugen ausgewählt, aber auf Plexiglaszylinder gestellt. Diese Präsentationsform wirkt im Museumskontext hier zwar etwas befremdlich, aber sie ist sehr schlüssig.

Die bauliche Rückführung auf einen früheren Zustand kann sich vielfach schwierig gestalten. Und auch bei translozierten Gebäuden werden dadurch originale Spuren späterer Zeit vernichtet. Von abgebauten und wieder aurgebauten Häusern wollen wir hier gar nicht sprechen. Hier kann man sich fragen, ob damit nicht nur der Schein von einem Original erhalten wird…

Es ist also auch in Museen stets nur ein schmaler Grad zwischen Erhalten und Zerstören. Hier bewegen sich alle Gewerke, die mit der Kulturguterhaltung zu tun haben. Dann kann man doch auch verstehen, wie wichtig es ist, dass es z.B. Restauratoren mit fundierten wissenschaftlichen Kenntnissen gibt, die sich der Tragweite ihres Handelns bewusst sind. Wir versuchen stets im Sinne der Gesellschaft zu agieren.

Sollte unsere Berufsbezeichnung nicht also doch endlich geschützt werden?

Abschleifen und neu Lackieren ist kein Restaurieren

Restaurierung ist zum Modewort avanciert.

Immer, wenn ein Möbel komplett abgeschliffen, abgebeizt oder abgelaugt wird, nennt man das “Restaurierung”. Immer, wenn etwas “in neuem Glanz erstrahlt”, nennt man das “Restaurierung”. Verschiedentlich wird dabei sogar immer noch von “Restauration” gesprochen.

Dabei ist das aber RENOVIERUNG!

Ich verbiete keinem solche Renovierungen, aber bitte nennen Sie es nicht Restaurierung, denn es ist keine.

Und was ist dann eine Restaurierung?

Als Restaurierung werden materielle Ergänzungen bezeichnet.

Wenn also an einem Tisch eine Profilleiste ergänzt wird, ist das Restaurierung. Wenn an diesem Tisch ein fehlendes Furnierstück ergänzt – ob in Holz oder Kitt – und farblich angepasst wird, ist das Restaurierung. Wenn Fehlstellen in Farbanstrichen und Lackierungen retuschiert und wieder gefüllt werden, ist das Restaurierung.

Das Entfernen des gesamten Furniers, nur weil ein Teil fehlt, um es dann komplett neu zu beschichten ist eine Renovierung, keine Restaurierung mehr. Das komplette Entfernen von Farb- oder Lackschichten, nur weil es nicht unserem Geschmack entspricht ist keine Restaurierung.

Im täglichen Sprachgebrauch sollten wir wirklich stärker auf unsere Wortwahl achten – und das geht auch über Restaurierung, Restauration und Renovierung hinaus.

Antiquitäten wieder “schön” machen 3

Die fertige Kommode hat auch dem Eigentümer gefallen.

Und ich muss sagen: Dafür, dass das mein erstes Möbelstück war, das ich wirklich komplett eigenverantwortlich bearbeitet habe, bin ich damit zufrieden.
Die ergänzten Füße und Schlüsselbleche waren schon nötig, um die ursprüngliche Aussage wieder erfahrbar zu machen. Leider konnte ich dem Eigentümer nicht ausreden, die Grifflöcher zu schließen.
Aber ich habe das so ausgeführt, dass man das leicht wieder zurückführen können sollte.
Und jetzt, nach einigen Wochen, scheint der Besitzer das wohl doch wieder rückgängig machen zu wollen.

Um auf die Ethik nochmal zu sprechen zu kommen:
Dadurch, dass die Kommode noch immer in täglichem Gebrauch ist, kann man keine museale Konservierung/Restaurierung durchführen. Dabei hätte man eigentlich alle Veränderungen (fehlende Füße, andere Griffe) lassen müssen/können, da sie ja ein Zeugnis der Geschichte dieses Möbels sind. Andererseits verändern fehlende Füße ja auch die Statik der Kommode…

Ich will damit verdeutlichen, dass die ethische Abwägung von Restaurierungsmaßnahmen immer eine Gradwanderung zwischen gut und schlecht ist. Und es immer subjektiv ist. Denn ein anderer Restaurator würde das vielleicht alles ganz anders machen.
Wichtig ist meiner Meinung nach eigentlich nur, dass man nicht einfach das tut, was man oder andere schon immer getan hat, sondern bei jedem Objekt neu überlegt, hinterfragt und abwägt.

Antiquitäten wieder “schön” machen 2

Für einen Bekannten habe ich gerade eine Kommode “wieder schön” gemacht.
Aus meiner Sicht ist sie schon schön geworden. Wobei dies natürlich subjektiv ist und die Veränderungen ethisch nicht konstant einwandfrei vertretbar sind.
Einige Veränderungen waren dabei aber durchaus aus restaurierungsethischer Sicht vertretbar: Die Kommode hatte z.B. keine Füße mehr, sie hatte Griffe, die stilistisch überhaupt nicht passten, ihre riesigen Risse waren schrecklich gekittet (weit über den eigentlichen Riss hinaus verschmiert) und sie hatte kaum noch einen Überzug.
Gut, wenn man die Ethik ganz genau nimmt, hätte ich die fehlenden Füße, passende Schlüsselbleche und Griffe nicht einfach so ergänzen können. Denn ich hatte kaum bis keine Anhaltspunkte, wie diese Teile gestaltet waren. Dafür hätte ich mehr Vergleichsobjekte finden müssen.
Auch den noch gering vorhandenen Lack hätte ich genau auf seine Bestandteile untersuchen müssen, um zu sagen, was früher drauf war. Denn eigentlich müsste man die gleiche Politur wieder verwenden.
Aber mal ehrlich: Welcher Privatkunde bezahlt das alles?
Selbst Museen betreiben nicht solchen Aufwand – außer bei überaus bedeutenden Stücken.

Das heißt nun aber nicht, dass ich die Ethik überzogen finde! Im Gegenteil. Ich bin der Meinung, dass unser Beruf eine so strenge Ethik braucht – von der man dann Kompromisse ableiten kann. Aber wenn man keine solche Ethik hat, kann man logischerweise auch keine Abstriche machen und dann macht ja jeder, was er will. Dann geschehen nämlich solche Dinge, die im Antiquitätenhandel vorgehen: Bemalte Bauernschränke werden abgebeizt oder die Möbel anderweitig umgearbeitet. Nur weil das gerade als “schön” empfunden wird? Weil es sich leichter verkaufen lässt? Mehr Geld damit machen lässt?
Und wo bleibt da der Respekt vor unseren Vorfahren? Solche Möbel waren einmal überaus kostspielig und wurden sehr geschätzt, über Generationen weitervererbt.
Außerdem gibt es heute andere Mittel und Wege, solche Möbel dem Zeitgeschmack anzupassen ohne Zeugnisse von früher unwiederbringlich zu vernichten. So kann man die Oberflächen neu streichen. Verwendet man dafür ein Farbsystem, dass sich mit dem alten nicht verbindet und/oder bringt eine Trennschicht ein, kann man bei Bedarf die alte Fassung (theoretisch) wieder freilegen.

Bevor wir also unsere alten Möbel “schön” machen wollen, sollten wir einen Moment darüber nachdenken, besonders über die weitreichenden Auswirkungen.

Antiquitäten wieder “schön” machen

Im Studium wird die aktuelle Restaurierungsethik gelehrt. Sie besagt im Groben, dass restauratorische Eingriffe zurückhaltend und nur auf das Nötigste beschränkt werden sollten. Ergänzungen sind gerechtfertigt, wenn sie nötig sind, um das Objekt konstruktiv oder in seiner Aussagekraft zu erhalten, zu konservieren.
Doch das ist eine museale Ansicht.
Welcher private Antiquitätenbesitzer bezahlt für eine Restaurierung, wenn er am Ende ein unvollständiges Möbel oder Bild oder dergleichen wiederbekommt?
Ich selbst habe auch wenige Antiquitäten und auch ich möchte diese in meinen heimischen vier Wänden benutzen können. Dabei sollen sie natürlich auch “ordentlich” aussehen. Allerdings bin ich so geschult, dass ich auch kleine Fehlstellen, Flecken oder ander optische Beenträchtigen akzeptiere. Ich stelle meine optischen und praktischen Ansprüche gegenüber konservatorischer Belange zurück.
Doch bei Privatpersonen kann man dieses Verständnis nicht voraussetzen. Häufig wünschen sie, dass ihre Möbel wieder “wie neu” aussehen sollen – oder gar in ihre übrige Raumgestaltung eingepasst werden sollen.
Wenn der sogenannte Laie wüsste, wie das alte Möbel aussah, als es wirklich neu war…. Dann würde er es nicht fordern. Denn eigentlich mag er doch nur die schöne gealterte Oberfläche.
Was ist dann aber mit “wie neu”, “wieder schön”, “aufhübschen” oder “erstrahlt in altem Glanz” gemeint? Und sind diese Begriffe nicht sowie so rein subjektiv?
Für uns Konservatoren/Restauratoren ist das ein ständiger Konflikt – wenn wir nicht gerade in einem Museum arbeiten. In meiner bisherigen Praxiserfahrung musste ich bisher glücklicherweise kaum Verantwortung dafür übernehmen, was ich restauratorisch dürchführe und was nicht. Doch ich habe mich trotzdem immer gefragt, was man vertreten kann und was nicht.
Und ich frage es mich immer noch ständig – denn so etwas kann man im Studium nicht lernen.