Womit beschriften wir unsere Objekte?

In einem älteren Beitrag habe ich mich ja bereits allgemein mit den Grundlagen und Fallstricken der Inventarisierung beschäftigt und auf die Bedeutung von einheitlichen Vorgaben zur Beschriftung von Objekten mit ihrer Inventarnummer hingewiesen.

Jetzt will ich einmal genauer betrachten, wieso uns Restauratoren die Beschriftung der Objekte so wichtig ist.

Erst kommt die Theorie

Bisher war es die gängige Praxis einen Schichtaufbau aus Grundlack, Schrift und Decklack auf ein Objekt aufzutragen.

Der Grundlack soll bewirken, dass die Beschriftung das Objektmaterial nicht beeinträchtigt. Er bildet also eine Trennschicht zwischen historischem Original und moderner Hinzufügung. Da er direkten und langfristigen Kontakt zum Original hat, ist es besonders wichtig, dass der Grundlack selbst keine schädigenden Auswirkungen hat.

Bei der Beschriftung sind zahlreiche verschiedene Produkte zum Auftrag mit Pinsel oder Stift in Gebrauch. Theoretisch sollten sie nach dem Trocknen mit einem Lösemittel wieder komplett entfernt werden können, ohne den Grundlack zu verändern. Das ermöglicht es, Korrekturen während des Beschriftungsvorgangs vorzunehmen. Meist wird hierfür etwas Wasserlösliches gewählt.

Um die Beschriftung vor unbeabsichtigter Entfernung zu schützen, wird sie anschließend mit einem Decklack überzogen. Dieser sollte sich in einem Löslichkeitsbereich bewegen, der sich vom Schreibstoff und dem Grundlack unterscheidet, um diese Schichten nicht zu verändern. So soll es theoretisch auch später möglich sein, Korrekturen schichtweise kontrolliert vorzunehmen – vorausgesetzt natürlich, man weiß, welche Produkte genutzt wurden!

Und dann kommt die Praxis

Im Arbeitsalltag kann schnell festgestellt werden, dass diese Theorie nur schwer umsetzbar ist: Oft sind die Löslichkeitsbereiche der Lacke und Schreibstoffe in der Realität doch sehr nahe beieinander, sodass z. B. beim Auftrag des Decklacks die Schrift verwischt oder beim Korrigieren der Beschriftung der Grundlack doch verändert wird. Besonders bei Fertigprodukten können die Hersteller die Inhaltsstoffe im Laufe der Zeit verändern, wodurch sich beispielsweise das Löslichkeitsverhalten stark unterscheiden kann. Manchmal werden dann auch Produktlinien eingestellt und das genutzte Produkt ist nicht mehr erhältlich.

Oft ist es auch im Arbeitsalltag mühsam, so viele verschiedene Materialien vorzuhalten und anzuwenden. Manche Stoffe verhalten sich auch bei verschiedenen Klimabedingungen sehr unterschiedlich oder sind dann ggf. nicht mehr nutzbar – und in der Praxis hat man nunmal nicht immer Idealbedingungen zum Arbeiten.

Hinzukommt, dass bei dieser händischen Vorgehensweise die Qualität des Endergebnisses stets vom Geschickt der Ausführenden und der Beschaffenheit des Objektuntergrundes abhängt. So kommt es häufig vor, dass die Beschriftung dann doch nur schwer oder kaum zu lesen ist.

Neueste Erkenntnisse

2019 haben Emerson, Beisenkötter und Lipinski in Heft 1 der VDR Beiträge zur Erhaltung von Kunst- und Kulturgut Empfehlungen zur Anbringung von Inventarnummern an Museumsobjekten publiziert, die sie anhand von praktisch orientierten Versuchsreihen erarbeitet haben. 

In der Restauro 8/2022 haben Krautheimer, Kuppel, Steger, Eggert und Krekel neuste Erkenntnisse über die Korrosivität von Restaurierungsmaterialien veröffentlicht, die sie mittels Oddy-Test gesammelt haben. Darin wurde dann u. a. bestätigt, was ich vielfach auch bereits von anderen Restauratoren gehört habe: Paraloid B 72 (häufig als Lack für die Objektbeschriftung genutzt) in Ethylacetat gelöst, kann auch nach scheinbar vollständiger Aushärtung noch Säuren abspalten, die wiederum historische Objektmaterialien verändern können.

Für mich ist im Laufe der Zeit wichtig geworden, dass ich alle Inhaltsstoffe der von mir verwendeten Materialien kenne. Das heißt, dass ich vorrangig reine Stoffe nutze und diese nach entsprechenden Mengenverhältnissen selbst kombiniere. Nur so kann ich Materialien wählen, die ein möglichst geringes Gefahrenpotential für Objekt und Gesundheit darstellen. Die Materialien sollten natürlich auch möglichst alterungsstabil sein und sich bei Bedarf doch wieder rückstandsfrei entfernen lassen. Die Handhabung sollte nicht zu umständlich sein.

In Versuchen kam ich zu dem Ergebnis, dass es praktikabel ist, Objekte mit einem Grund- und Decklack aus Paraloid B 72, 30 %ig in Aceton/Ethanol (2:1) und einem Schreibstoff aus Aquarell (z. B. Winsor & Newton, “Lama Black” und “Chinese White”) zu beschriften. Diese Materialien entsprechen – auch in ihrer Kombination – o. g. Kriterien. Nutzt man als Deckschicht einen hellen Schellack kann man ggf. sogar manche schwarzen Stifte benutzen.

Viel spannender als diese rein händische Beschriftungsmethode finde ich die Möglichkeit, Etiketten auszudrucken (z. B. mit Laserdrucker auf säurefreiem Papier) und diese z. B. mit Paraloid B 72, 30 %ig in Aceton/Ethanol (2:1) auf das Objekt aufzukleben. Obwohl dies mehr Vorbereitung erfordert (Inv.-Nr. am Rechner vorbereiten, ausdrucken, zuschneiden), bieten sich die Vorteile, dass auch sehr klein bei guter Lesbarkeit gearbeitet werden kann. Dadurch ist wenig Objektoberfläche betroffen und man verbraucht tendenziell weniger Ressourcen (z. B. Paraloid und Lösemittel). Es können so auch sehr kleine Objekte gut beschriftet werden und das Beschriften großer Mengen von Objekten geht schneller vonstatten. Paraloid hat den Vorteil, dass es auf Holz, Metall, Keramik und Glas in etwa gleich gut haftet.

 

Bisher konnte ich leider noch keine Praxiserfahrungen hinsichtlich dem Verhalten bei Klimaschwankungen und Dauerhaftigkeit dieser Methode sammeln.

Hast du bereits Erfahrungen? Dann freue ich mich, wenn du sie hier mit mir und den anderen Leser/innen teilst.

Marketing für Restauratoren

Hallo Welt, hier bin ich! Wie kann man dies am besten ausrufen, damit es möglichst viele hören? Denn wenn man sich z. B. als Restaurator/in gerade selbständig gemacht hat, ist das die wichtigste Botschaft, um an Aufträge zu kommen. Nur, weil man selbst darum weiß, wissen es noch lange nicht alle anderen.

Altbewährte Strategien

Das wohl älteste Werbemittel, das in unseren Kreisen auch am besten funktioniert, ist vermutlich die Mundpropaganda. Da sich Auftraggebende und -nehmende meist untereinander kennen, tauscht man sich auch aus und fragt nach Erfahrungen. Wenn man also einen guten Job gemacht hat, kann man nicht nur sicher sein, dass diese/r Auftraggeber/in wieder auf einen zukommt, er/sie wird dies sicher auch weitererzählen. Das erfordert aber sehr viel Zeit und Geduld und ist natürlich von der Reichweite je nach Kreis der Auftraggebenden begrenzt.

Netzwerken und Zusammenarbeit mit anderen Restauratoren sind Voraussetzungen für diese Mundpropaganda und können neue Aufträge auftun, an die man selbst noch gar nicht gedacht hat. Das bedeutet, dass man persönlichen Kontakt aufnehmen muss – live, per Telefon, Mail und Flyer beispielsweise.

Vorträge zu halten, steigert ebenfalls den Bekanntheitsgrad. Selten bekommt man dafür etwas Geld, i. d. R. erhält man Vergünstigungen bei Tagungsteilnahmekosten und kann die Zeit vor und nach seinem eigenen Vortrag zur persönlichen Weiterbildung und dem Netzwerken nutzen. Da man hierfür allerdings einen Vortrag ausarbeiten muss, ist dies ebenfalls recht zeitaufwendig – falls im Nachgang eine Publikation dazu veröffentlich wird, umso mehr.

Der Eintrag ins Berufsregister des VDR kann auch noch sinnvoll sein, da Fachleute hier nach potentiellen Auftragnehmern suchen, wenn ihre Netzwerke nicht ausreichen. Da die Suche hier unbeschränkt möglich ist, besteht die Chance, dass auch private Auftraggeber auf einen Aufmerksam werden können. Man investiert einmal Zeit in die Erstellung und dann alle paar Jahre mal etwas in eine eventuelle Aktualisierung und kann sich anschließend wieder anderem zuwenden. Dafür ist eine Mitgliedschaft im VDR erforderlich.

Neue Marketingmöglichkeiten

Ein eigener Internetauftritt ist zwar mittlerweile schon weit verbreitet, aber noch längst nicht bei jedem/r Selbständigen vorhanden. Dabei bietet er eine gute Möglichkeit, sein einzigartiges Profil darzustellen und z. B. in einem Blog oder einer Referenzliste über seine Arbeit und Erfahrungen zu berichten. Dies ist ausführlicher und persönlicher als der Eintrag im Berufsregister und kann für manche/n Auftraggeber/in ausschlaggebend sein, ob er/sie einen kontaktiert oder nicht. Trotz zahlreicher Assistenzsysteme für Websidegestaltung, ist dies teilweise etwas zeitaufwendig, je nachdem wie komplex man den Internetauftritt aufbaut. Für den Anfang kann ich da ganz klar empfehlen, den eigenen Internetauftritt lieber schlank zu halten. Ausweiten kann man immer noch. Man sollte nur stets darauf achten, dass die Seite/n aktuell und erreichbar sind. Je nach Host muss man hier mit unterschiedlichen Kosten rechnen, die sich aber deutlich im Rahmen halten.

Soziale Medien, wie Twitter, Facebook, Instagram & Co. gewinnen gerade an Bedeutung. In einer immer globaleren Welt, nimmt auch der überregionale Austausch unter Auftraggebenden und -nehmenden zu. Sie bieten eine gute Möglichkeit, auf interessante Art, optisch ansprechend und informativ über die eigene Arbeit zu berichten. Man kann dadurch auch schwierige Zielgruppen, wie private Sammler erreichen. Hierbei ist allerdings etwas Disziplin gefragt, da man seine investierte Zeit gut dosieren muss: investiert man zu wenig Zeit und Aktivität, geht man im allgemeinen Getöse unter – man kann sich hier aber auch zeitlich komplett verlieren … In der Regel sind diese Netzwerke kostenlos, man kann aber auch unterschiedlich viel Geld für Bewerbung investieren. Manchmal ist es etwas mühsam, sich in die Funktionsweisen einzufuchsen.

Wie sind eure Erfahrungen?

Gerade zu Beginn hat man noch nicht so viel Budget für Marketingmaßnahmen und investiert selbst Zeit und Kreativität. Dies ist vorteilhaft, da die “Werbung” so viel persönlicher ist. Eine allgemeingültig Empfehlung, was sich lohnt und was nicht, kann ich natürlich nicht abgeben. Hier sollte jede/r selbst herausfinden, was für sie/ihn funktioniert. Wichtig ist nur, dass man das Marketing nicht völlig vernachlässigt und zunehmend Geld bei der eigenen Finanzplanung dafür vorsieht.

Habt ihr Erfahrungen mit anderen Marketingwegen, wie Podcasts, Anzeigen in Print- oder Online-Medien usw.? Dann teilt dies gerne hier mit anderen.

Kulturgut im TV

Vor einiger Zeit entbrannte unter den Restauratoren eine kritische Diskussion um ein neues Sendeformat des ZDF: “kaputt und zugenäht” (auch ich berichtete hier). Manche Stimmen forderten sogar deswegen den Ausschluss der beteiligten Restauratorin Julia Pfeiffer aus dem VDR.

Dies ist zum Glück nicht eingetreten! Sondern aufgrund der Wortmeldung des VDR wurde das Sendeformat etwas angepasst: Es sind nun pro Folge unterschiedliche Kunsthistoriker mit einer Expertise und unterschiedliche Kunsthandwerker mit der Reparatur beteiligt. Es wird kein Geld mehr überreicht und es wird nicht mehr übertrieben um Kohle geschachert. Positiv aufgefallen ist mir, dass stets von “Restaurierung” gesprochen wird und der “Allrounder” Antoine nicht mehr dabei ist. Dafür ist nun der in Großbritannien ausgebildete Restaurator Patrick Urs Krüger an Julia Pfeiffers Seite.

Natürlich ist das Format noch immer sehr rührig, emotional und dem finanziellen Aspekt zugetan, doch es wird die Arbeit und die Ethik von Restauratoren in winzigen Häppchen recht gut vermittelt. So denke ich, kann auch der völlig unbedarfte Zuschauer mit der Zeit mehr Verständnis für unseren Beruf entwickeln.

Warum aber entbrennt denn nicht auch solche Diskussion um Sendeformate wie “Bares für Rares” oder “clever abgestaubt“? Hier geht es ausschließlich um Geld. Bei ersterem wird noch viel mehr über das jeweilige Objekt und dessen Geschichte berichtet als bei der verwirrenden Quizshow mit Antiquitäten. Bei der Quizshow werden unterschiedlichste Antiquitäten mit einander verglichen. Hinter den Objekten – über die man am Anfang nichts weiß – verstecken sich verschiedene Werte und sogar eine Niete! In mehreren Runden fliegen die Teams raus, die “zu wenig” Wert gesammelt haben. Damit werden meiner Meinung nach alte, geschichtsträchtige Objekte auf einen subjektiven finanziellen Wert reduziert. Es wird suggeriert, dass “weniger wertvolle” Objekte schlecht sind.

Ich wünsche mir ein Sendeformat, welches auf positive Weise vermittelt, dass jedes alte Objekt mit all seinen evtl. Schadstellen oder Abnutzungsspuren einzigartig und individuell ist. Für jedes Objekt gibt es einen Liebhaber, dem es etwas bedeutet und der es wertschätzt, genauso wie es ist.

Nachruf: Prof. Dr. Nicole Riedl-Siedow

Bereits am Abend des 31.8.2017 verbreitete sich die Nachricht vom plötzlichen Tod von Frau Riedl-Siedow unter den Restauratoren wie ein Lauffeuer. Ich wollte es lange Zeit einfach nicht glauben, da sie schlichtweg noch so jung war.

Auch wenn sie nicht meine Fachprofessorin während des Studiums war, habe ich sie als kompetentes, engagiertes und zuverlässiges Mitglied des Lehrkörpers wahrgenommen.

Die Professoren und wissenschaftlichen Mitarbeiter des Studiengangs Konservierung/Restaurierung der HAWK haben nun leider eine wertvolle Kollegin und die Studenten ein Vorbild und prägende Ausbilderin verloren. Sie alle stehen nun mit der Hochschulleitung zusammen vor der großen Aufgabe, das Loch, das Frau Riedl-Siedow hinterlassen hat, zu stopfen.

Auch ihre Vita verdeutlicht, welche wertvolle Person die Fachwelt zur Erhaltung von Kulturgut mit ihr verloren hat.

Sie hinterlässt nicht nur Kollegen und Fachkreise, denen nun eine besondere Persönlichkeit und ihre Kompetenz fehlen wird. Sie hinterlässt auch Freunde und Familie, die nun irgendwie weitermachen müssen.

So bleibt mir nur, allen Hinterbliebenen und ganz besonders den engsten Angehörigen Kraft und Zusammenhalt zuzusprechen.

Frau Riedl-Siedow wird unvergessen bleiben.

Der Wert der Restaurierung?

Seit einiger Zeit denke ich wirklich sehr intensiv über meinen ergriffenen Beruf nach. Und mein Urteil fällt leider nicht ganz so positiv aus. Ohne Frage liebe ich die Beschäftigung mit historischem Kulturgut, aber es scheint eine brotlose Kunst zu sein.

Festigung historischer Inventar-Etiketten an Stuhlzargen

Nach einem Jahr Vorpraktikum habe ich fünf Jahre studiert (B.A. und M.A.) und nach etwas mehr als einem Jahr Arbeitssuche dann zwei Jahre Volontariat absolviert, bis ich mich endlich sicher genug gefühlt habe, um richtig in dem Beruf zu arbeiten. Somit habe ich insgesamt acht Jahre damit verbracht, diesen Beruf zu erlernen. Wer vorher noch eine handwerkliche Ausbildung gemacht hat (z. B. zum Tischler), der wäre dann gut elf Jahre dabei.

Und nach so langer Zeit sind wir dann doch ziemlich umfassend und gut ausgebildet! Neben handwerklichen Fähigkeiten wissen wir einiges über Geschichte der Kunst, der Gesellschaft, von Konstruktionen und Materialien. Wir haben chemisches und physikalisches Verständnis unserer historischen und modernen Arbeitsmaterialien und ihrer Reaktionen. Wir können fotografisch, zeichnerisch und verbal komplexe Zusammenhänge dokumentieren. Mit einem feinen Auge erkennen wir kleinste Unterschiede, um Veränderungen zu bemerken und Ergänzungen harmonisch einzupassen. Wir arbeiten sehr analytisch, logisch und nach hohen ethischen Ansprüchen. Wir haben ein sehr hohes soziales Empfinden bei unserer Tätigkeit.

Und dann gibt es kaum Stellen – besonders für Möbelrestauratoren. Die meisten müssen sich selbständig machen. Das ist ja auch nicht jedermanns Ding. Hat man eine Stelle im öffentlichen Dienst, bekommt man meist nur E9, auch wenn man Vergaben durchführt und Projekte managet. Oft ist so eine Stelle aber nur befristet – für einige Monate oder wenige Jahre. Mal in der einen Stadt, dann wieder im nächsten Bundesland oder gar ins Ausland. Hat man dann noch dummerweise einen sachgrundlos befristeten Job angenommen, ist man bei dem Arbeitgeber für drei Jahre gesperrt. Man muss permanent Bewerbungen schreiben, stets netzwerken oder höchst flexibel sein, um eine Folgeanstellung zu bekommen. Partner und Eigenheim oder gar Kinder sind schwierig in dieses Lebensmodell zu integrieren.

Und dann muss man sich Aussprüche anhören wie: “Ach, das kann man studieren?” oder “Und in welchem Restaurant arbeitet man dann so?” oder “Oh, wie toll! Ich hab auch schon mal einen alten Tisch abgebeizt/abgeschliffen und neu lackiert!” oder “Toll, ich hab hier eine Kommode; wie viel ist die denn wert?” oder “Ja, ich mag solchen Shabby Chic!” Werde ich als Möbelrestauratorin etwas über die Restaurierung eines Buches oder Porzellanvasen gefragt, bin ich schon überglücklich.

Tja, da haben die Restauratoren wohl völlig den Draht zur Öffentlichkeit verloren – oder anders herum. Und wieso? Weil wir gern im stillen Kämmerlein arbeiten – freiwillig oder auch zwangsläufig. Dabei sind Museumsbesucher überaus an unserer Arbeit interessiert! Für mehr Führungen oder Öffentlichkeitsarbeit durch uns reicht unsere Wochenarbeitszeit aber wieder nicht aus, da wir ja meist noch so viel anderes zu erledigen haben, weil wir oft zu wenig angestellte Restauratoren sind.  Ein Teufelskreis …

Eine Kollegin ist schon dazu übergegangen, zu behaupten sie sei Fleischereifachverkäuferin, weil sie müde geworden ist, immer wieder den Beruf und die ethischen Grundsätze zu erklären. Und auch mich nervt es so langsam, wenn mir Antiquitätenhändler, die alte Möbel auf nassem Rasen in der prallen Sonne ausstellen, mir erzählen, ich soll doch einen zweitägigen Restaurierkurs bei ihnen belegen, dann würde man viele Aufträge bekommen …

Restauratoren in Deutschland, jung und alt: Schließt euch zusammen und unterstützt den Berfsverband! Und VDR: Setz den Berufstitelschutz durch und finde Wege der besseren Öffentlichkeitsarbeit! Über einen Verbandsausschluss der Restauratorin in der umstrittenen Sendung “Kaputt und zugenäht” zu diskutieren finde ich da kontraproduktiv! Ihr Einsatz sollte eher belohnt und besser unterstützt werden. Wir brauchen charismatische Gesichter, die endlich ein richtiges öffentliches Verständnis für unseren Wert an der Gesellschaft schaffen!

Museum begreifen

Kürzlich besuchte ich in einem kleinen Museum eine Sonderführung, deren Altersdurchschnitt etwa bei 60 lag.

Es hat mich sehr überrascht, dass diese “gute alte Generation” scheinbar auch nicht weiß, wie man sich im Museum verhält. Objekte, die nicht in einer Vitrine präsentiert werden, wurden – bewusst oder unbewusst? – mehrfach angefasst.

Auf einem Podest stand beispielsweise ein historischer Tisch, der weitere kleine Exponate trug. Ein älterer Herr stand mit einem Bein auf dem Podest und stützte sich dabei ganz lässig auf den Tisch. Als der Tisch so stark wackelte, dass die fragilen Exponate zu wandern begannen, wies ich den Mann darauf hin, dass Exponate im Museum nicht berührt werden sollten.

Er wollte doch nur bequem stehen, entschuldigte er sich.

Hätte er sich einen Museumsstuhl genommen, hätte er sogar bequem SITZEN können!

Kann man heute grundsätzlich nicht mehr davon ausgehen, dass es sich einfach nicht gehört, im Museum alles anzufassen? Sind die “unberührbaren Zonen” immer noch nicht eindeutig genug gekennzeichnet?

Wie sensibiliesiert man denn alle Museumsbesucher für korrektes Verhalten im Museum? Muss man etwa bei jeder verkauften Eintrittskarte, zu Beginn jeder Führung immer wieder sagen: “Bitte fassen Sie nichts unaufgefordert an. Bitte Essen und trinken Sie nicht in der Ausstellung. Bitte hinterlassen Sie keine Kaugummis und anderen Unrat an und in den Exponaten.”

Holzsichtige Fassung?

Immer wieder stolpere ich beim Lesen einschlägiger Texte über den Terminus “holzsichtige Fassung” und frage mich, was genau damit gemeint sein könnte.

Eine Holzmalerei kann schonmal nicht gemeint sein, da diese “Maserierung” genannt wird.

Schließen sich beide Einzelbegriffe nicht gegenseitig aus? Holzsichtig und Fassung?

Eine Fassung ist doch eine deckende, oft mehrlagige Oberflächenbeschichtung. Grob zusammengefasst, gehören dazu Grundierung, Malschicht und Überzug. Statt Malschicht oder in diese integriert kann dann auch eine Blattmetallauflage vorliegen.

Für “Holzsichtigkeit” ist in dieser Beschichtung doch gar kein Platz mehr.

Diese meint, dass Holz als Untergrund trotz Beschichtung sichtbar ist. Zumeist trägt das Holz eine Beize, eine farbige Lasur und/oder einen transparenten Überzug. Kann das als Fassung gelten?

Beizen liegen nicht ausschließlich auf der Holzoberfläche, sie dringen auch in die obersten Bereiche des Holzes ein. Wie eine Leimlösche unter der Grundierung einer Malschicht.

Eine Lasur sowie ein transparenter Überzug bzw. Lack sind ebenfalls Bestandteil einer Fassung; können sie dann einzeln auch eine Fassung bilden?  Wie viele Schichten machen eine Fassung aus? Und was ist mit der Transluzenz?

Korrekt müsste es also “holzsichtige Beschichtung” oder besser noch “holzsichtige Oberflächenveredlung” heißen.

Sonst können wir irgendwann gar nicht mehr erklären, warum Möbelrestauratoren keine “Restauratoren für gefasste Holzobjekte” sind.

verstaubtes altes Zeug?

old-books-436498_1920Viele mögen denken: “Warum müssen wir so viel unnützen alten Kram aufbewahren? Das kostet nur Geld, nimmt Platz weg und interessiert doch eh keinen.”

Gut, dann reißen wir den Kölner Dom ab, entsorgen die Mona Lisa, verschrotten die erste Dampfmaschine, verbrennen all die verstaubten Massen von Akten und Papieren in den zahlreichen Archiven!

Und dann? Wer sind wir dann? Fehlt uns dann nicht die Identität?

Besonders das “Altpapier” ist wichtig und kann so spannend sein! Denken Sie an die berühmten Stasiakten. Viele ehemalige DDR-Bürger nutzen sie, um Verwandte zu finden, ihre Herkunft zu klären. Die persönliche Ahnenforschung wäre ohne die alten Kirchenbücher über Eheschließungen, Geburten und Todesfälle unmöglich. All das trägt zu unserer Identität bei. Und so geht es auch den Städten.

Städte und Dörfer – und andere Siedlungsarten – haben eine Identität, die sich auch aus der Vergangenheit ergibt. Und wo ist diese Dokumentiert, wenn nicht in den Bauakten in den entsprechenden Archiven? Gut, für manche Orte mag es schon eine Chronik geben. Doch wo haben die Chronisten ihre Infos her?

ProjektflyerLobend ist da das Engagement der Stadt Karlsruhe zu erwähnen, die in einem Großprojekt mit der Konservierung, Erschließung und Digitalisierung ihrer Bauakten diese besondere Identität bewahren möchte. Denn die “Fächerstadt” Karlsruhe blickt wirklich auf eine sehr spannende Herkunft zurück: Die von Karl Wilhelm erst 1715 gegründete Planstadt sollte wohl nur einer temporären Machtdemonstration dienen, da ihre Häuser zunächst nur in “Leichtbauweise” entstanden. Doch die Menschen blieben, bauten ihre neue Heimat aus und gestalteten sie. Heute erlebe ich die Einheimischen als stolze Karlsruher. Sie identifizieren sich mit ihrer Stadt und gestalten sie aktiv; nehmen das Verkehrschaos wegen der U-Bahn-Baustellen mit Humor, sehen sie als “badische Baukunst” an.

Wäre das möglich, wenn man keine Geschichtsdokumente aus der Vergangenheit hat?

Klar, steht doch alles im Internet!

Und wo hat das Internet das her?

Von so verstaubtem alten Zeug, das von Fachleuten interpretiert werden kann, weil es durch Experten erhalten wird.

Zeitreise in die Entschleunigung

Ein junger Kölner führt ein sehr interessantes Leben. Er hat sich bewusst für die Entschleunigung entschieden, um dem modernen Alltagsstress zu entgehen, indem er versucht, so zu leben, wie vor hundert Jahren.

Sein Lebenskonzept finde ich wirklich sehr mutig und interessant!

Gern würde ich ihn bei einer altmodischen, selbstgemahlenen Tasse Kaffee kennenlernen. Denn manchmal würde ich es ihm so gern gleichtun.

Stadt in Licht und Schatten. Historische Blicke auf Hildesheim

So lautet der Titel der aktuellen Sonderausstellung im Stadtmuseum Hildesheim, die dort noch bis zum 4.10.2015 gezeigt wird.

LichtundSchattenIm Rahmen des 1200-jährigen Jubiläums von Bistum und Stadt Hildesheim hat das Stadtmuseum mit dieser Ausstellung das ambitionierte Ziel, die große Sonderausstellung im Roemer- und Pelizaeus-Museum – welche das Mittelalter thematisiert – in die jüngere Geschichte (Ende 19. Jh. bis ca. 1970er) fortzusetzen.

Offensichtlich war diese Intention doch etwas zu ambitioniert, denn ich war ziemlich enttäuscht.

Eigentlich mag ich Fotoausstellungen, doch diese hat mich eher traurig gemacht und mich schon etwas beschämt, da sie wirkte, als sei sie unter Zeitmangel, Personalmangel und mangelnde Hingabe entstanden.

Es sind dort viele – wirklich viele! – Fotoabzüge, Glasplatten, Postkarten usw. zu sehen, die auch alle mit Zahlen versehen sind. Doch ich habe keinerlei Begleittexte gefunden, die mir mehr Infos gegeben hätten, wie Ort, Zeit, Material und Technik. So stand ich oft vor den Bildern und dachte: “Schön, aber wo genau könnte das nun in Hildesheim gewesen sein?” Nur weil ich da mal sechs Jahre gelebt habe, kenne ich leider nicht alle Ecken. Nach etwa sechs solcher Bilder, war ich so sehr frustriert, dass ich immer schneller durch die Ausstellung gelaufen bin.

Dieser Umstand hat mich dennoch nicht darüber hinweg getäuscht, dass einige Bilder mehrfach wiederholt wurden – an den Wänden als Abzüge, Glasplatten, in einem Ordner und einer Dia-Show. Warum, war mir leider nicht verständlich. Und leider konnte ich auch nicht über die pixeligen Abzüge hinwegsehen.

Entschuldigung, aber in einer Fotoausstellung müssen die Bilder schon eine gewisse Qualität aufweisen oder man kann sie nicht so groß oder eben gar nicht zeigen.

Und die Dia-Show in dem niedlichen, abgetrennten Mini-Kino ist gut gedacht, aber leider nicht gut umgesetzt, wenn manche “Dateiformate nicht angezeigt werden können”, manche Bilder zu klein sind und man die Beschriftung suchen muss (die dann leider manchmal auch noch Tippfehler enthielt) oder die Bilder in ihrer Abfolge irgendwie durcheinander geraten sind.

Es tut mir wirklich leid dies sagen zu müssen, aber diese Sonderausstellung ruft für mich ganz laut um Hilfe. Sie ruft nach mehr Personal, das die Zeit hat, eine Ausstellung ordentlich vorzubereiten und umzusetzen. Denn auch Macken an Bilderrahmen und Wänden fallen auf und lassen vermuten, dass alles schnell und “mal eben nebenbei” erfolgen musste.

Und das ist leider aktuell symptomatisch für die deutsche Museumslandschaft: Mit immer weniger Personal und Zeit versuchen wir, eine Sonderausstellung nach der anderen auf die Beine zu stellen – immer größer, immer sensationeller – um sinkende Besucherzahlen abzufangen. Leider leiden darunter neben dem Personal besonders auch die Kulturgüter und das alltägliche Geschäft. Da kommen Restauratoren halt kaum noch dazu, die eigenen Sammlungsbestände präventiv zu betreuen. Historiker haben kaum noch Zeit, die Sammlungsbestände zu erforschen und überhaupt erst einmal aufzuarbeiten.

Da möchte ich nun eine ganz provokante Frage in den Raum werfen:

Sollten wir in der momentanen wirtschaftlichen Lage dann nicht lieber einige Museen vorübergehend schließen und deren Personal in anderen bündeln, damit hier ein wissenschaftlich fundierter, konservatorisch schonender und öffentlichkeitswirksamer Umgang mit dem deutschen Kulturgut gewährleistet wird?