Der Wert der Restaurierung?

Seit einiger Zeit denke ich wirklich sehr intensiv über meinen ergriffenen Beruf nach. Und mein Urteil fällt leider nicht ganz so positiv aus. Ohne Frage liebe ich die Beschäftigung mit historischem Kulturgut, aber es scheint eine brotlose Kunst zu sein.

Festigung historischer Inventar-Etiketten an Stuhlzargen

Nach einem Jahr Vorpraktikum habe ich fünf Jahre studiert (B.A. und M.A.) und nach etwas mehr als einem Jahr Arbeitssuche dann zwei Jahre Volontariat absolviert, bis ich mich endlich sicher genug gefühlt habe, um richtig in dem Beruf zu arbeiten. Somit habe ich insgesamt acht Jahre damit verbracht, diesen Beruf zu erlernen. Wer vorher noch eine handwerkliche Ausbildung gemacht hat (z. B. zum Tischler), der wäre dann gut elf Jahre dabei.

Und nach so langer Zeit sind wir dann doch ziemlich umfassend und gut ausgebildet! Neben handwerklichen Fähigkeiten wissen wir einiges über Geschichte der Kunst, der Gesellschaft, von Konstruktionen und Materialien. Wir haben chemisches und physikalisches Verständnis unserer historischen und modernen Arbeitsmaterialien und ihrer Reaktionen. Wir können fotografisch, zeichnerisch und verbal komplexe Zusammenhänge dokumentieren. Mit einem feinen Auge erkennen wir kleinste Unterschiede, um Veränderungen zu bemerken und Ergänzungen harmonisch einzupassen. Wir arbeiten sehr analytisch, logisch und nach hohen ethischen Ansprüchen. Wir haben ein sehr hohes soziales Empfinden bei unserer Tätigkeit.

Und dann gibt es kaum Stellen – besonders für Möbelrestauratoren. Die meisten müssen sich selbständig machen. Das ist ja auch nicht jedermanns Ding. Hat man eine Stelle im öffentlichen Dienst, bekommt man meist nur E9, auch wenn man Vergaben durchführt und Projekte managet. Oft ist so eine Stelle aber nur befristet – für einige Monate oder wenige Jahre. Mal in der einen Stadt, dann wieder im nächsten Bundesland oder gar ins Ausland. Hat man dann noch dummerweise einen sachgrundlos befristeten Job angenommen, ist man bei dem Arbeitgeber für drei Jahre gesperrt. Man muss permanent Bewerbungen schreiben, stets netzwerken oder höchst flexibel sein, um eine Folgeanstellung zu bekommen. Partner und Eigenheim oder gar Kinder sind schwierig in dieses Lebensmodell zu integrieren.

Und dann muss man sich Aussprüche anhören wie: “Ach, das kann man studieren?” oder “Und in welchem Restaurant arbeitet man dann so?” oder “Oh, wie toll! Ich hab auch schon mal einen alten Tisch abgebeizt/abgeschliffen und neu lackiert!” oder “Toll, ich hab hier eine Kommode; wie viel ist die denn wert?” oder “Ja, ich mag solchen Shabby Chic!” Werde ich als Möbelrestauratorin etwas über die Restaurierung eines Buches oder Porzellanvasen gefragt, bin ich schon überglücklich.

Tja, da haben die Restauratoren wohl völlig den Draht zur Öffentlichkeit verloren – oder anders herum. Und wieso? Weil wir gern im stillen Kämmerlein arbeiten – freiwillig oder auch zwangsläufig. Dabei sind Museumsbesucher überaus an unserer Arbeit interessiert! Für mehr Führungen oder Öffentlichkeitsarbeit durch uns reicht unsere Wochenarbeitszeit aber wieder nicht aus, da wir ja meist noch so viel anderes zu erledigen haben, weil wir oft zu wenig angestellte Restauratoren sind.  Ein Teufelskreis …

Eine Kollegin ist schon dazu übergegangen, zu behaupten sie sei Fleischereifachverkäuferin, weil sie müde geworden ist, immer wieder den Beruf und die ethischen Grundsätze zu erklären. Und auch mich nervt es so langsam, wenn mir Antiquitätenhändler, die alte Möbel auf nassem Rasen in der prallen Sonne ausstellen, mir erzählen, ich soll doch einen zweitägigen Restaurierkurs bei ihnen belegen, dann würde man viele Aufträge bekommen …

Restauratoren in Deutschland, jung und alt: Schließt euch zusammen und unterstützt den Berfsverband! Und VDR: Setz den Berufstitelschutz durch und finde Wege der besseren Öffentlichkeitsarbeit! Über einen Verbandsausschluss der Restauratorin in der umstrittenen Sendung “Kaputt und zugenäht” zu diskutieren finde ich da kontraproduktiv! Ihr Einsatz sollte eher belohnt und besser unterstützt werden. Wir brauchen charismatische Gesichter, die endlich ein richtiges öffentliches Verständnis für unseren Wert an der Gesellschaft schaffen!

Restauratoren – ein Volk für sich!? [Teil 2]

Die Welt der Restauratoren ist klein. Man kennt sich – zumindest in den gleichen Bildungskreisen.

Ich behaupte, die meisten akademischen Restauratoren haben wenig bis gar nichts mit Restauratoren im Handwerk zu tun.

Warum?

Während des Studiums wurde uns vermittelt, wir sollten uns nicht mit Handwerkern auf eine Stufe stellen. Theoretisch stimme ich dem zu, aber sind akademische Restauratoren besser als Restauratoren im Handwerk? Was unterscheidet diese beiden Berufsgruppen von einander? Handeln handwerkliche Restauratoren nach einer anderen Ethik als die Akademiker? Können sie etwa weniger?

Nach meinen Recherchen und einer netten E-Mail-Korrespondenz mit Dipl.-Ing. Frank Sprenger, dem Geschäftsführer des Verbands der Restauratoren im Handwerk e.V., weiß ich, dass wir alle nach der gleichen Ethik, den gleichen Restaurierungstheorien handeln. Restauratoren im Handwerk lernen genau so Kunsthistorisches, historische Techniken, verschiedene Untersuchungs- und Konservierungsmethoden. Dazu leisten sie oft ihre Ausbildung zum Restaurator über mehrere Jahre neben dem Berufsalltag und finanzieren sie komplett aus der eigenen Tasche. Das erfordert Disziplin und Organisation!

Der Unterschied scheint von den akademischen Kreisen hochgehalten zu werden. So wollen Museen lieber akademische Restauratoren. In der Denkmalpflege arbeiten Restauratoren im Handwerk oft unter der Anleitung eines akademischen Restaurators.

Läuft es darauf hinaus, dass akademische Restauratoren zukünftig Untersuchungen und Konzepterstellungen übernehmen, eher projektleiterische und überwachende Tätigkeiten ausführen? Wird es zukünftig so sein, dass nur noch die Restauratoren im Handwerk an das reale Objekt dürfen und hier Eingriffe vornehmen, während die Akademiker zusehen?

Wenn es in diese Richtung geht, ist es dann nicht umso wichtiger, dass wir jetzt schon stärker zusammenarbeiten, uns kennen lernen. Könnte man nicht Restauratoren im Handwerk auch gezielter an die Hochschulen holen, um z.B. historische Techniken zu unterrichten – sofern dies in den Lehrplänen enthalten bleibt.

Es ist dabei sehr erfreulich, dass im Berufsalltag bereits einige sehr fruchtbare Gemeinschaftsarbeiten von Restauratoren im Handwerk und akademischen Restauratoren stattfinden. Doch sollte dieses gemeinsame Verständnis bereits an den Hochschulen vermittelt werden. Schließlich haben wir doch alle das gleiche Ziel: die Erhaltung des kulturellen Erbes für die Gesellschaft.