Letzte Chance …

… für einen Besuch der Sonderausstellung “Vornehmste Tischlerarbeiten aus Leipzig” im Grassi-Museum für angewandte Kunst Leipzig.

 

Noch bis Sonntag, 12.4. – also nur noch zwei Tage! – kann diese tolle Ausstellung besichtig werden. Hier sind wohl so viele Möbel des Hoftischlers Friedrich Gottlob Hoffmann vereint, wie seit seiner Schaffenszeit Ende des 18. Jh. nicht mehr.

Diese Möbelvielfalt allein – aus ganz Deutschland, von Museen, Stiftungen und Privatpersonen ausgeliehen – ist schon sehr beeindruckend. Ausgewählte Stücke sind dazu noch gut aufbereitet, indem man über Tablets mit Kopfhörern Bilder ihrer Wandlungsfähigkeit sehen kann. Dazu werden mit musikalischer Untermalung historische Hintergrundinfos gegeben.

Insgesamt sind die Ausstellung und die zugehörige Publikation gleich aufgebaut: Vermittlung der innovativen Vertriebswege über Warenkataloge, Messen und die Rostische Kunsthandlung; anschließend natürlich die Möbel selbst mit Verweisen zu Hoffmanns meist englischen Vorbildern sowie deutschen Kollegen und Nachahmern. Seine Prozesse mit der Tischlerinnung werden ebenso thematisiert.

Aus konservatorischer Sicht ist die vielfach teilgeöffnete Präsentation der Möbel sowie die recht kleinen Podeste als einzige Abstandshalter sehr gewagt. Andererseits ist es natürlich toll, ganz nah an die Objekte herantreten zu können. Sogar Fotos ohne Blitz darf man machen. Dass auch wirklich nichts berührt wird soll Sicherheitspersonal garantieren.

Leider sind einige Objekte falsch beschrieben: ein Sekretär hat ganz offensichtlich eingelassene Schlüsselschilder aus Perlmutt, nicht aus Bein. Und viele Möbel, die historisch aus dem Blauen Salon von Schloss Crossen stammen, werden als grau gefasst beschrieben, zeigen sich aber eher in weiß mit Vergoldung. Diese Angaben wurden aus dem Versteigerungskatalog von 1928 übernommen und sollten für die weitere Forschung aber doch korrigiert werden. Denn z. B. trägt der Crossener Damenschreibtisch noch seine ursprüngliche Fassung, die in einem lichten Blau ausgeführt ist. Durch einen darüberliegenden, vergilbten Firnis wirkt dies heute eher grün.

Dennoch ist die Ausstellung sehr gelungen und sehenswert. Endlich wieder eine reine Möbelausstellung. Und dazu bildet auch das zugehörige Buch eine umfassende Grundlage für weitergehende Forschungen besonders der Produktionsweise Hoffmanns.

Buchtipp: Friedrich Gottlob Hoffmann

Passend zur Sonderausstellung über diesen Tischler, die noch bis zum 12.4.2015 im Grassi Museum in Leipzig läuft, wurde dieses Buch publiziert. Es bietet für den aktuellen Wissensstand einen sehr umfassenden Eindruck seines Schaffens.

BuchNach einleitenden Worten über die Hintergründe dieser Publikation und der Ausstellung wird kurz der Zeitgeist um 1790 in Leipzig umrissen. Anschließend wird die “Rostische Kunsthandlung und Kunstmanufactur” in Leipzig vorgestellt, die für Hoffmanns Vertriebswege bedeutend war. Die tabelarisch aufbereitete Biografie Hoffmanns ist ebenso verständlich und praktisch gehalten wie der Katalogteil, der in 100 Nummern zugewiesene Objekte sowie Kopien, Umkreis und Nachfolge Hoffmanns verdeutlicht.

Besonders spannend fand ich das Kapitel über die verwendeten Materialien und Techniken sowie die abschließende Würdigung der damals innovativen Vertriebswege Hoffmanns. Stets wird Bezug zu Roentgen genommen und Preisvergleiche zum Verständnis der damaligen wirtschaftlichen Verhältnisse gegeben.

Auf CD liegen sogar noch die beiden digitalisierten Kataloge Hoffmanns von 1789 und 1795 bei. Zum Öffnen benötigt man einen Flashplayer.

Bildschirmfoto 2015-01-27 um 17.53.47Die hoch auflösenden Scans sind sehr ansprechend und realistisch mit Umblättern und Geräuschen animiert. Das erfordert allerdings eine hohe Rechenleistung und kann die Nutzung etwas stocken lassen.

Die selbst im Vollbild etwas kleine Ansicht des aufgeschlagenen Katalogs kann man durch einen Button unten rechts noch vergrößern. Leider kann man die Seiten nicht drehen. So kann man im zweiten Katalog viele Abbildungen im Querformat nicht ordentlich betrachten. Dafür kann man aus dem Programm heraus drucken! Scheinbar kann man sogar einzelne Textpassagen mit einem Tool auswählen und heraus kopieren. Das hat bei mir allerdings nicht funktioniert.

Insgesamt ist die Publikation sehr gut lesbar geschrieben, die damalige Zeit wird sehr anschaulich vermittelt. Dazu ist der Text reich, aussagekräftig und überwiegend qualitätvoll bebildert. Auch das Lektorat hat gute Arbeit geleistet, weil ich bisher nur einen Tippfehler und einen falschen Seitenverweis entdeckt habe. Besonders praktisch ist das eingebundene Leseband. Die digitale Beigabe der Hoffmannschen Warenkataloge rundet die Publikation ab und führt vielleicht dazu, dass weitere seiner Möbel gefunden und ihm zugeschrieben werden können. Allerdings können Scans und selbst deren Ausdrucke nicht die originalen Kataloge ersetzen.

Möbeloberflächen

Seit einiger Zeit achtet die Fachöffentlichkeit verstärkt auf die Erhaltung historischer Möbeloberflächen. Wir Restauratoren arbeiten schon längst alte Lacke nicht mehr einfach ab, um dann einen neuen aufzutragen. Wir versuchen die historischen Überzüge durch Festigung zu erhalten.

Dafür ist allerdings doch ein umfangreiches Wissen von historischen Überzugsmaterialien und -techniken nötig. Aus der Zeit vor dem Barock wissen wir noch nicht viel – eben weil die meisten Oberflächen durch spätere Renovierungen unwiederbringlich verloren sind. Man geht davon aus, dass die Möbel gewachst und/oder geölt waren.

Barocke LackeDie Kenntnis, dass im Barock die meisten transparenten Überzüge Sandarak (Harz) enthielten, verdanken wir systematischen Untersuchungen und deren Publikation durch Walch und Koller: Lacke des Barock und Rokoko. Lacke wurden durch Aufstreichen und Schleifen/Polieren aufgebaut und erlangten hohe Qualität. Die Fülle der Rezepturen lässt die Vermutung zu, dass jede Möbelwerkstatt ihre eigenen Rezepte hatte.

Obwohl Schellack bereist im 17. Jh. als Zusatzstoff für Lacke bekannt war, erlangte es seine Blüte als Lackhauptbestandteil lediglich in der 2. Hälfte des 19. Jh. Es entstand die berühmte Ballenpolitur. Bereits um 1900 bevorzugte man bereits wieder matte Möbeloberflächen, die man durch das Aufbringen von Wachs bzw. Wachs-Harz-Mischungen oder trocknenden Ölen erreichte.

Erst in den 1920er Jahren kamen Nitrocellulose-Lacke (CN-Lacke) in Mode und später allerlei weitere Kunststoffbeschichtungen, die im Spritzverfahren aufgetragen werden.

Das Thema der Oberflächenbehandlung von Möbeln ist sehr vielschichtig, aber auch schwierig zu erfassen, was die vielen Untersuchungsansätze zeigen. Auch Beizen und Farben wurden zur Oberflächengestaltung eingesetzt. Verschiedentlich wurden auch Lacke eingefärbt …

“Blue Rain”

So bezeichnet Stephanie Oertel in ihrer grundlegenden Diplomarbeit zu diesem Thema von 2008 an der Hochschule Potsdam ein Oberflächenphänomen, das sicher jeder Möbelrestaurator schon einmal gesehen hat: bläulich-weiße Ausblühungen, meist in Poren, aber durchaus auch als Schleier über eine größere Fläche.
Leider hat sie nicht beschrieben, wo die Bezeichnung “Blue Rain” herkommt. Vielleicht weiß da jemand mehr?
Dieses Phänomen ist laut Oertel eine Alterungserscheinung bestimmter Materialien an einem Möbel, kein Schadensphänomen. Nach bisherigem Wissensstand ist es für Mensch und Objekt unschädlich.
Möbel, die eine gewachste Oberfläche tragen und in ihrer Nutzungsphase mit Seifenlaugen (Kernseife) gereinigt wurden, können im Laufe der Zeit diesen weißlichen Belag ausbilden, der sich recht einfach trocken abnehmen lässt. Ausgelöst und beschleunigt wird die Entstehung wohl durch thermische Holzschädlingsbekämpfung – also eine Behandlung in einer feuchteregulierten Wärmekammer – oder bei extremen Klimaschwankungen.
Oertel beschreibt in ihrer Arbeit, dass die weißen Ausblühungen wohl Umwandlungsprodukte von Natriumhydroxid oder Natriumcarbonat sind, die mit Kondensfeuchte eine Lauge bilden, welche wiederum den Wachsüberzug des Möbels verseift und somit zusätzlich weiße Schleier erzeugt. Natriumhaltige Holzbeizen hat sie als beteiligte Substanzen ausgeschlossen.
Dennoch konnte sie nicht abschließend klären, welche Materialien nun genau an diesem Alterungsprozess beteiligt sind und welche Reaktionen genau ablaufen. Folglich konnte auch noch nicht ermittelt werden, ob es nicht doch als Spätschaden von früheren falschen Reinigungsgewohnheiten bewertet werden müsste. Auch offen bleiben muss vorerst, wie man damit umgeht: reinigt man die weiß-blauen Ausblühungen regelmäßig ab oder kann der Prozess verlangsamt/gestoppt werden?

Abschleifen und neu Lackieren ist kein Restaurieren

Restaurierung ist zum Modewort avanciert.

Immer, wenn ein Möbel komplett abgeschliffen, abgebeizt oder abgelaugt wird, nennt man das “Restaurierung”. Immer, wenn etwas “in neuem Glanz erstrahlt”, nennt man das “Restaurierung”. Verschiedentlich wird dabei sogar immer noch von “Restauration” gesprochen.

Dabei ist das aber RENOVIERUNG!

Ich verbiete keinem solche Renovierungen, aber bitte nennen Sie es nicht Restaurierung, denn es ist keine.

Und was ist dann eine Restaurierung?

Als Restaurierung werden materielle Ergänzungen bezeichnet.

Wenn also an einem Tisch eine Profilleiste ergänzt wird, ist das Restaurierung. Wenn an diesem Tisch ein fehlendes Furnierstück ergänzt – ob in Holz oder Kitt – und farblich angepasst wird, ist das Restaurierung. Wenn Fehlstellen in Farbanstrichen und Lackierungen retuschiert und wieder gefüllt werden, ist das Restaurierung.

Das Entfernen des gesamten Furniers, nur weil ein Teil fehlt, um es dann komplett neu zu beschichten ist eine Renovierung, keine Restaurierung mehr. Das komplette Entfernen von Farb- oder Lackschichten, nur weil es nicht unserem Geschmack entspricht ist keine Restaurierung.

Im täglichen Sprachgebrauch sollten wir wirklich stärker auf unsere Wortwahl achten – und das geht auch über Restaurierung, Restauration und Renovierung hinaus.